Preisfehler im Online-Shop sind der Horror für jeden Shop-Betreiber: Da will man Ware mit 200 Euro im Shop auszeichnen und trägt stattdessen aus Versehen 20 Euro ein. Die Kunden bestellen fleißig und plötzlich wird aus Marge ein geschäftsschädigender Verlust. Müssen Händler ihre Produkte tatsächlich zum Schnäppchenpreis herausgeben, wenn ihnen ein Preisfehler unterlaufen ist?
Preisfehler: Markisen fast zu verschenken
Mit dieser Frage musste sich jetzt das Amtsgericht (AG) Dortmund (21.2.2017, 425 C 9322/16) beschäftigen. Ein Shop bot online Markisen zu einem Preis von je 29,90 Euro zzgl. 5,99 Euro Versand an. Eine Kundin (die anschließende Klägerin) bestellte gleich 4 dieser Markisen zu einem Gesamtpreis von 125,99 Euro. Tatsächlich kosteten die Markisen jedoch pro Stück 2990 Euro. Dennoch erhielt sie eine Bestellbestätigung inklusive der Widerrufsbelehrung und den AGB sowie eine Mitteilung über die Angebotsannahme.
Die Kundin bezahlte die eingegangene Rechnung sofort. Kurz darauf erhielt sie jedoch eine Rückzahlungsbestätigung. Dies gefiel ihr überhaupt nicht, weshalb sie durch ihren Anwalt mitteilen ließ, dass sie die Erfüllung des Vertrags und damit die Lieferung der spottgünstigen Markisen einforderte. Die Shop-Betreiberin ließ wissen, dass sie den Kaufvertrag angefochten habe und daher nicht mehr zu einer Lieferung verpflichtet sei. Es handle sich um einen Preisfehler im Online-Shop.
Der Fall landete schlussendlich vor Gericht, sodass das AG Dortmund hier ein Urteil fällen musste.
Preisfehler im Online-Shop: Komma verrutscht
Die beklagte Shop-Betreiberin gab vor Gericht an, dass ihr das Komma beim Eintippen der Preise verrutscht sei. Nachdem sie dann den Fehler bemerkt hatte, hatte sie der Klägerin direkt eine Anfechtungserklärung zugeschickt. Darüber hinaus ging sie auch davon aus, dass eine Erfüllung des Vertrags bei einem derart hohen Preisunterschied (29,90 Euro – 2990 Euro) gegen Treu und Glauben verstoße.
Die Richter des AG Dortmund sahen die Handlung der Klägerin, die Markisen zu einem Bruchteil des eigentlichen Preises einzufordern, als treuwidrig an. Diese nutze die Rechtslage zu ihren Gunsten aus. Zwar können Kunden günstige Angebote im Netz wahrnehmen, ohne dass sie rechtsmissbräuchlich handeln. Der enorme Preisunterschied zur UVP des Herstellers (98 Prozent Preisreduzierung) und zu anderen Angeboten am Markt ließ aber auf den ersten Blick erkennen, dass es sich hierbei nur um einen Preisfehler des Online-Shops handeln konnte. Das Gericht gab daher an, dass sich die Klägerin durch ihre Bestellung von gleich vier Markisen den Preisfehler zunutze machen wollte. Die Shop-Betreiberin war daher nicht verpflichtet, die Ware zu liefern.
Wann kommt ein Kaufvertrag zustande?
Löst dein Kunde eine Bestellung bei dir aus, ist dies nicht automatisch gleichzusetzen mit dem Vertragsschluss. Die Frage, ob überhaupt schon ein Vertrag geschlossen wurde, beantworten deine AGB bzw. die Nutzungsbedingungen der Plattformen. Hierbei ist zwischen dem Verkauf über den jeweiligen Online-Marktplatz zu unterscheiden.
Anbieter bei eBay stellen beispielsweise verbindliche Angebote ein, die der Kunde mit der Bestellung – also z.B. Abgabe des Höchstgebotes oder mit Betätigen der Schaltfläche „Sofort-Kaufen“ – annimmt.
Bei Amazon hingegen läuft der Vertragsschluss anders ab. Die Annahme des Angebots (und damit der Vertragsabschluss) erfolgt durch E-Mail von Amazon, in welcher dem Kunden der Versand der Ware durch den Verkäufer bestätigt wird.
Erst, wenn der Vertrag geschlossen wurde, besteht eine Grundlage, aufgrund derer deine Kunden die Lieferung zum genannten Preis verlangen können.
Wann ist ein Angebot rechtlich verbindlich?
Es kommt darauf an. Je nach Shop kann es sich um ein verbindliches Angebot handeln. Schau in deine AGB, welche Regelung du zum Vertragsschluss getroffen hast.
Ist der Angebotspreis bindend?
Ist der Vertrag zustande gekommen, gilt der Vertrag über diesen Preis und kann nicht mehr einseitig korrigiert werden. Dein Kunde kann die Lieferung prinzipiell verlangen. Verständlicherweise wird dein Kunde mit einer Erhöhung nicht einverstanden sein und er muss auch nicht zustimmen. Daher bleibt es dir nur, den Vertrag mit dem falschen Preis so durchzuführen oder anzufechten.
Verstoß gegen Treu und Glauben
Auch wenn alles nichts hilft und beispielsweise kein Anfechtungsgrund nachweisbar ist, gibt es noch ein Fünkchen Hoffnung für dich. Dem Käufer kann die Lieferung der Waren zu den fehlerhaften Preisen nach dem gesetzlichen Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sein. Das bewusste Ausnutzen einer offensichtlich irrtümlichen Preisangabe in einem Online-Shop kann nämlich rechtsmissbräuchlich sein.
Beispiel: Ein Online-Shop bietet Notebooks zum Preis von 1299 Euro an. Weil das Komma aus Versehen verrutscht, werden diese zu 12,99 Euro angeboten. Ein Kunde kauft gleich 5 Stück, weil er den Fehler ausnutzen will. Das ist jedoch missbräuchlich, denn für den Verkäufer wäre diese Vertragsdurchführung aufgrund des viel zu niedrigen Preises schlechthin unzumutbar.
Einfaches „Verrechnen“ ist als Anfechtungsgrund unzulässig.
Ebenso die Angabe „fehlerhafte Online-Eingabe“ bzw. „elektronischer Eingabefehler“ (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2016, AZ I-16 U 72/15. Auf das Anfechtungsrecht können die sich Händler jedoch nur berufen, wenn sie die Anfechtung auch tatsächlich geltend machen und gegenüber dem Kunden erklären, nicht mehr an den Vertrag gebunden sein zu wollen. Der Hinweis „Aufgrund einer Systemstörung können wir Ihre Online-Bestellung leider nicht ausführen und stornieren diesen Auftrag“ soll den Gerichten zufolge genügen (Oberlandesgerichts Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2016, Aktenzeichen I-16 U 72/15). Voraussetzung ist, dass du eindeutig kenntlich machst, dass du dich vom Vertrag lösen willst. Das Wort „Anfechtung“ muss nicht benutzt werden. Eine bestimmte Form ist für die Anfechtungserklärung nicht vorgeschrieben, sie sollte aber aus Beweisgründen schriftlich erfolgen.
Was sollten Händler tun, wenn sie einen Preisfehler bemerken?
Zwar gilt der rechtliche Grundsatz „Pacta sunt servanda“, d.h. die geschlossenen Verträge müssen erfüllt werden. Es gibt auch hier Mittel und Wege, aus dem Vertrag wieder herauszukommen. Im Online-Handel kann ein Preisfehler grundsätzlich zur Anfechtung des Vertrags führen, wenn du nachweisen kannst, dass du im Irrtum warst und ein sogenannter ein Erklärungsirrtum vorliegt (§ 119 BGB). Ein solcher liegt vor, wenn du den Preis so eigentlich nicht gemeint hast oder verlangen wolltest und es nicht sofort erkennst.
Dazu gehst du wie folgt vor:
- Erklärung der Anfechtung. Das Wort „Anfechtung“ muss nicht fallen, es muss jedoch aus der Erklärung eindeutig hervorgehen, dass du dich vom Vertrag lösen willst.
- Die Erklärung muss unverzüglich erfolgen, nachdem du den Preisfehler bemerkt hast.
- Als Folge einer wirksamen Anfechtung wird der Kaufvertrag aufgelöst und gilt als von Anfang an nichtig.
Beispiele für beachtliche Erklärungsirrtümer:
- Vertippen bei Eingabe des Preises (Zahlendreher) bzw. falsches Setzen der Kommastelle
- Irrtümlich falsches Anklicken einer Checkbox und andere Bedienungsfehler
- Technischer Fehler bei der Anzeige des korrekt eingegeben Preises
- Fehlerhafter Datentransfer durch eine unerkannt fehlerhafte Software
- Aktivierung einer falschen Funktion in der Onlineshop-Software, die für die Anzeige des Preises eingesetzt wird
Was können Shop-Betreiber lernen?
Auch wenn das Gericht die Händlerin nicht zur Lieferung der Ware verpflichtete, sollten Shop-Betreiber Preisfehler in ihrem Online-Shop möglichst vermeiden. Denn: Das Gericht entschied auch, dass der Vertrag über die oben genannten Markisen eingangs rechtskräftig geschlossen wurde. Ob die Beklagte ihre Willenserklärung rechtmäßig angefochten hatte, beantwortete das Gericht nicht. Dennoch sollten Shop-Betreiber auf Nummer sicher gehen und stets ihre Willenserklärung anfechten, sobald der Irrtum erkannt wird. Denn: Wird nicht auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben entschieden, ist die Anfechtung eine wichtige Grundlage, um die Ware nicht zum Schnäppchenpreis liefern zu müssen.