Die seit Jahren anhaltende Marktdominanz von Amazon stellt Händler vor die Herausforderung, Kunden wieder mehr in den eigenen Shop zu locken. Denn: Laut Online-Monitor 2019 des Handelsverbandes Deutschland generiert Amazon knapp die Hälfte (46 Prozent) aller Online-Umsätze in Deutschland. Den größten Anteil bringen dem Konzern dabei die Drittanbieter auf seiner Plattform ein. Immer mehr deutsche Handelsketten versuchen sich daher auch an einer Art Marktplatz, indem sie ihren eigenen Onlineshop für Drittanbieter öffnen. Wie sieht das in der Praxis aus? Und wie erfolgsversprechend ist das Konzept?

Marktplätze als unverzichtbarer Kanal

Marktplätze sind für viele Händler nicht mehr nur ein möglicher Vertriebskanal. Sie sind zu einem festen Bestandteil ihrer Verkaufsstrategie geworden. Gut 57 Prozent der erfolgreichsten Onlineshops Deutschlands verkaufen ihre Produkte nicht mehr nur auf der eigenen Webseite. Sie bieten diese auch auf Marktplätzen wie Amazon und eBay an. Das hat das Handelsforschungsinstitut EHI herausgefunden. 47 Prozent der Händler setzen dabei auf Amazon, 37 Prozent auf eBay.

Handelsketten erweitern ihren Onlineshop zum Marktplatz

Um nicht immer nur eigene Marge an Amazon zu verlieren, sondern auch die Marge anderer Hersteller einfahren zu können, verwandeln mehr und mehr Handelsketten ihren Onlineshop in einen Marktplatz. Dazu nehmen sie die Waren von Drittanbietern auf. Das Resultat: Sie können ihren Kunden eine breitere und attraktivere Produktpalette anbieten. Das erhöht den Traffic auf ihrer Seite – und steigert den Umsatz.

So öffnete auch die Supermarktkette Real ihren Onlineshop für Drittanbieter. Das Ergebnis: Im vergangenen Geschäftsjahr konnte das Unternehmen seinen Umsatz auf real.de von 380 Millionen Euro auf 608 Millionen Euro steigern. Der weitere Plan: Real will seinen Marktplatz für internationale Partner aus Frankreich, Rumänien und Italien öffnen und so weiter den Umsatz in die Höhe treiben.

Die Parfümeriekette Douglas geht die Erweiterung ihres Onlineshops ähnlich an: Sie will ihren Onlineshop, der derzeit knapp 30 Prozent des Gesamtumsatzes des Online-Geschäfts ausmacht, zur zentralen Beauty-Plattform Europas machen. Dafür will das Unternehmen exklusive Partner in sein Sortiment aufnehmen. Und: Es will Serviceangebote wie Maniküre und Friseurbesuche auf seiner Plattform anbieten.

Bedarf für weitere Marktplätze vorhanden?

Ist die Verwandlung des eigenen Onlineshops in einen Marktplatz also ein sicherer Weg zum Erfolg? Der E-Commerce-Experte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein sieht den Aufbau eines eigenen Marktplatzes als große Herausforderung. Denn: Viele Handelsketten dürften es schwer haben, Besucherzahlen wie auf Amazon zu erreichen. Für Drittanbieter sind Marktplätze abseits von Amazon und eBay daher nur wenig attraktiv. Der Bedarf für weitere Marktplätze ist aus seiner Sicht daher nur wenig vorhanden.

Der Online-Experte Lars Hofacker vom EHI hält den Umbau zum Marktplatz für durchaus erfolgsversprechend. Er sieht darin eine maßgeschneiderte Lösung für die Probleme der Kunden. Amazon bediene als Generalist zwar zahllose User. Der Konzern erfülle jedoch nicht optimal die Erwartungen der Kunden. Eine Erweiterung des Onlineshops um Drittanbieter, die sich in einem ähnlichen oder verwandten Produktsegment bewegen, könnte daher zum Erfolg führen. Dennoch sieht auch Hofacker nur ein begrenztes Potenzial in neuen Marktplätzen. Er geht davon aus, dass in jedem Bereich – wie Elektronik, Beauty oder Auto – nur einige wenige Portale Erfolg haben können.