Das Verschicken von Abmahnungen hat sich im Online-Handel zu einem Volkssport entwickelt, so dass heute mehr als jeder zweiter Shopbetreiber bereits einmal abgemahnt wurde. Die Gründe für das Verschicken von Abmahnungen sind ebenso zahlreich wie vielfältig: Vom fehlerhaften Impressum über eine fehlende Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung bis hin zu unvollständigen Datenschutzerklärungen und fehlerhaften AGB bei eBay finden Shops immer wieder zu beanstandende Details bei ihren Konkurrenten.

Verschicken von Abmahnungen: Hohe Zahl gerechtfertigt?

Ob die hohe Zahl der verschickten Abmahnungen gerechtfertigt ist, ist zumindest zu bezweifeln. Viele Fälle haben gezeigt: Das Verschicken von Abmahnungen wird immer seltener dazu genutzt, den Wettbewerb sauber zu halten, sondern immer öfter, um an den Abmahnkosten zu verdienen. Die Motivation, den Abgemahnten zu schädigen oder sich selbst auf diese Weise wirtschaftlich zu bereichern, ist jedoch nicht Sinn und Zweck von Abmahnungen und darüber hinaus rechtlich unzulässig. Derartige Motivationen lassen keinen Anspruch auf Abmahngebühren erheben, ebenso wenig besteht auf diese Weise ein geltend gemachter Unterlassungsanspruch.

Auch eine anschließende Klage wäre dann unzulässig. Selbst wenn das Verschicken von Abmahnungen eigentlich berechtig ist, verliert der Abmahner einen eventuellen Prozess, wenn nachgewiesen wird, dass dieser aus wirtschaftlichen Interessen oder in einer Schädigungsabsicht gehandelt hat. Dabei reicht es vollkommen aus, wenn diese Gründe überwiegend zu dem Verschicken von Abmahnungen motiviert haben. Eine ausschließliche Motivation dafür ist nicht notwendig. Leider ist ein Rechtsmissbrauch in derartigen Fällen jedoch nur selten nachzuweisen.

Aktuell Fälle von Rechtsmissbrauch durch Abmahnungen

Wie sieht ein aktueller Rechtsmissbrauch aus, der aus dem Verschicken von Abmahnungen resultiert? Häufig sind es kleine eBay-Händler, die durch Abmahnkosten den Jahresgewinn steigern wollen. Diese Händler verfügen in der Regel über keinen eigenen Onlineshop oder ein lokales Geschäft, sondern verkaufen ihre Ware nur über Online-Marktplätze. Pro Jahr werden dann mindestens 15 Abmahnungen verschickt, so dass die Kasse aufgebessert wird. Das OLG Düsseldorf stufte dieses Vorgehen im „Warmwasserland-Fall“ letztes Jahr als rechtsmissbräuchlich ein.

Einen besonders auffälligen Missbrauch durch das Verschicken von Abmahnungen hatte jetzt das OLG Hamm vorliegen: Nachdem einem Händler im Prozess vom Gericht bestätigt worden war, dass eine Vielzahl von Werbeaussagen seines Konkurrenten nicht zulässig seien, verschickte dieser wenige Tag nach der Verhandlung 43 Abmahnungen in 7 Tagen. Insgesamt hatte der Händler am Ende 200 Abmahnungen versendet.

Da jedoch einer der Abgemahnten nicht bereit war, die eingeforderte Unterlassungserklärung abzugeben, da er die Abmahnung als missbräuchlich einstufte, landete der Fall letztlich vor Gericht. Die Richter bestätigten den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs, da der Händler in erster Linie nicht gehandelte hatte, um den Wettbewerb sauber zu halten, sondern um wirtschaftliche Gewinne zu erzielen. Zwar begründet ein derart umfangreiches Verschicken von Abmahnungen noch keinen Missbrauch, die Abmahnungen standen in diesem Fall jedoch schlichtweg in einem Missverhältnis zur eigentlichen gewerblichen Tätigkeit des Händlers.

Das OLG Hamm stufte daher die Vielzahl der Abmahnungen als missbräuchlich ein. Insbesondere die kurzen Fristen für die Abgabe der Unterlassungserklärungen, die der Händler den Abgemahnten gesetzt hatte, wiesen deutlich daraufhin, dass er lediglich in einer möglichst kurzen Zeitspanne viele Abmahnungen aussprechen wollte, um finanziell davon zu profitieren. Etwaige Rückmeldungen der abgemahnten Händler hatte der Beklagte ignoriert.

Abmahnungen hinterfragen

Die zahlreichen Fälle der letzten Zeit haben bewiesen: Händler sollten bei Erhalt einer Abmahnung zunächst die rechtliche Substanz des Schreibens und der Forderung hinterfragen, bevor wirklich gezahlt und eine Unterlassungserklärung abgegeben wird. Andersherum ist auch festzustellen, dass Händler nicht bei jedem vermutetem Fehlverhalten eines Konkurrenten Abmahnungen verschicken sollten. Insbesondere ist zu beachten, dass kein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen den erwirtschafteten Gewinnen aus der eigenen, gewerblichen Tätigkeit und den geforderten Abmahnkosten vorliegen darf.