Auch wenn Online-Händler durch die im letzten Jahr erlassene Verbraucherrichtlinie die Kosten für Retouren den Konsumenten auferlegen können – inwieweit können Shopbetreiber in der Praxis hiervon überhaupt Gebrauch machen? Was erwarten Kunden heute bei einer Bestellung im Web? Haben sich die Rücknahmebedingungen mittlerweile zu einem Wettbewerbsfaktor für Händler entwickelt?

Rücknahmebedingungen: Kulanz für Conversion Rate?

Was für Rücknahmebedingungen bieten Händler aktuell an? Machen sie Gebrauch von ihrem gesetzlichen Recht und lassen ihre Kunden für Retouren zahlen oder setzen sie auf Kulanz und hoffen so auf eine größere Anzahl von Bestellungen? Der Retouren Tacho 2015, eine repräsentative Umfrage der Forschungsgruppe retourenforschung.de, zeigt: Händler setzen auf Kulanz für eine bessere Conversion Rate. Zwar attestieren sie sich selbst einen sehr kundenfreundlichen Umgang mit den Rücknahmewünschen ihrer Käufer, sie planen jedoch eine weitere Ausweitung ihrer Kulanz im nächsten Jahr.

In Zahlen belegt die Studie das wie folgt: Ihre aktuellen Rücknahmebedingungen schätzen Shopbetreiber auf einer Skala von -3 (äußerst restriktiv) bis +3 (äußerst kulant/liberal) recht kulant ein. Im Schnitt bewerten sich Händler selbst mit eine 1,21 auf der Skala. Im kommenden Jahr will man dann den Kunden noch weiter entgegenkommen. Die Skala soll dann im Durchschnitt bei 1,44 stehen.

Rücknahmebedingungen als Wettbewerbsfaktor

Die Zahlen der Studie lassen stark vermuten, dass Rücknahmebedingungen für Händler einen Wettbewerbsfaktor darstellen. Trotz der Verbraucherrichtlinie setzen mehr und mehr Shops auf kulantere Retouren, um eine bessere Conversion Rate erzielen zu können. Ob das in der Praxis funktioniert, ist eine andere Frage, da nur wenige Unternehmen tatsächliche Zahlen zu ihren Retouren vorlegen.

Rücknahmebedingungen: Amazon als Problem

Das Verhalten der Händler basiert auf der Erwartungshaltung der Kunden, die in der Regel von einer kostenlosen Retoure ausgehen. Vorgelebt wird ihnen dieses Konzept durch Amazon, das als Branchenprimus eine führende Stellung in Sachen kundenfreundliche Retoure aufweist. Kunden können dort ohne Probleme jede Sendung bei Nichtgefallen kostenlos wieder zurückschicken. Damit hat Amazon einen Service-Standard im E-Commerce geschaffen, den Kunden nun auch von anderen Händlern erwarten, ohne die finanziellen Ressourcen der Shops zu hinterfragen. Händler wiederum sind auf diese Weise gezwungen, ihre Rücknahmebedingungen möglichst kulant zu gestalten, um mit Amazon und allen anderen Konkurrenten, die genauso denken (müssen), mithalten zu können.

Zahlreiche Shops verfügen jedoch nicht über die Umsatz- oder Kostenstruktur, um ein derartiges Retourenmodell anzubieten. Während einige Shops deshalb die Kosten von Retouren auf ihre Kunden umlegen, nehmen andere lieber das finanzielle Risiko auf sich, um potenzielle Käufer nicht von einer Bestellung abzuschrecken. Welche Variante auf lange Sicht wirtschaftlich gesund ist, wird sich erst zeigen, wenn Unternehmen anfangen, ihre Retourenzahlen offenzulegen. Aktuell scheint es sich dabei jedoch noch um ein sensibles Thema im E-Commerce zu handeln, so dass dies in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.