Online-Riese Amazon hat zum ersten Mal Nutzerkonten aufgrund zu hoher Retourenquoten geschlossen. Dabei wurden die Accounts von Kunden gesperrt, die ihr Recht auf eine kostenfreie Rücksendung von Ware überstrapaziert hatten. Amazon schloss die Konten ohne Vorwarnung und begründete diese Maßnahmen in einer Stellungnahme damit, dass Amazon eine Plattform für Verbraucher sei, also Personen, die Ware in haushaltsüblichen Mengen bestellen. Bei den geschlossenen Accounts handele es sich um Einzelfälle, bei denen nach ausführlicher Prüfung festgestellt wurde, dass diese kein Einkaufs- und Retourverhalten von Verbrauchern aufweisen.

Amazon stößt mit seiner Maßnahme auf großes öffentliches Interesse, da Retoursendungen nach deutschem Recht zulässig sind. Gleichzeitig spricht die Schließung der Konten ein Thema im E-Commerce an, das zahlreiche Online-Händler beschäftigt: das Problem zu hoher Retourenquoten in Deutschland.

Retourenquote in Deutschland

Das Widerrufsrecht in Deutschland erlaubt es Kunden, bestellte Ware innerhalb von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen zurück an die Händler zu schicken. Dabei handelt es sich nur um die Mindestfrist. Viele Versandhäuser und Onlinehändler gewähren eine längere Frist und übernehmen auch die Rücksendekosten bei Ware unter 40 Euro, obwohl vom Gesetz her die Kunden die Kosten dann selbst tragen müssten. Der hohe Wettbewerb am Markt hat jedoch dazu geführt, dass lange Rückgabefristen und keine Versandkosten der Standard sind.

Aus diesem Grund liegt die Retourenquote in Deutschland sehr hoch. Einer aktuellen Studie des ibi research Instituts der Uni Regensburg nach weist fast ein Viertel aller Onlinehändler in Deutschland eine Retourenquote von 25 Prozent oder mehr auf. Onlineshops und Versandhäuser, die im Segment Kleidung und Schuhe tätig sind, weisen meist noch höhere Quoten auf. Bis zu 50 Prozent der bestellten Ware findet dabei ihren Weg zurück zum Händler. Die Retourenquote liegt in Deutschland damit bis zu drei Mal so hoch wie in Frankreich, Großbritannien oder Italien. Wie teuer jeder Widerruf die Händler zustehen kommt, variiert von Statistik zu Statistik. Das ibi research Institut kommt bei seiner Berechnung auf hohe 20 Euro pro Rücksendung. Der Bundesverband deutscher Versandhändler (BVH) errechnet immerhin einen mittleren einstelligen Betrag pro retournierte Ware.

Online-Händler reagieren auf hohe Retourenquote

Die hohen Retourenquoten haben die Onlineshops in Deutschland zum Handeln gezwungen. Eine Umfrage des Bundesverbands deutscher Versandhändler hat ermittelt, dass mitterweile 16 Prozent der Unternehmen ihre Rücksendequote senken konnten. Die Shops haben dazu ihre Retouren analysiert, um Sparpotenziale auszumachen. Infolgedessen wurden vor allem detaillierte Produktbeschreibungen aufgenommen sowie präsentere Usermeinungen und 360-Grad-Ansichten der Produkte in die Shops integriert. Auf diese Weise ist es Kunden möglich, sich vor einem Kauf besser zu informieren, was gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit für einen Fehlkauf senkt.

Neue Gesetzeslage ab Juni 2014

Ab Juni 2014 greift die Neuregelung der Verbraucherrichtlinie, die es Online-Händlern ermöglicht, die Portokosten für eine Rücksendung dem Kunden aufzuerlegen. Auf diese Weise könnten Online-Shops die Kosten für Retouren als auch die allgemeine Rücksendequote senken. Ob das in der Praxis von den Unternehmen tatsächlich umgesetzt wird, bleibt jedoch abzuwarten. Rücksendekosten könnten sich vielmehr als Wettbewerbsfaktor entpuppen. Große Versandhändler wie Zalando haben bereits jetzt angekündigt, die Kosten für Rücksendungen weiter zu übernehmen. Kleinere Unternehmen dagegen wollen von ihrem Recht Gebrauch machen. Der Studie der Uni Regensburg nach planen 75 Prozent der kleineren Onlineshops, die Retourkosten von den Verbrauchern tragen zu lassen, um finanzielle Entlastung zu finden. Branchenkenner erwarten jedoch, dass ein Großteil der Händler weiter die Kosten tragen wird, da die Deutschen den Komfort und Service gewohnt seien.