Amazon hat ein Problem. Galt die Plattform lange als zuverlässige Anlaufstelle für glaubwürdige Produktreviews, kann heute nicht mehr von Objektivität die Rede sein. Zu viele Bewertungen sind nicht echt und dienen lediglich dazu, ein Produkt zu pushen. Obwohl Amazon bereits darauf reagiert und erste Käufer und Verkäufer verklagt hat, konnte das nur einen kleinen Teil der Objektivität der Ratings wiederherstellen. Denn: Ein großes Problem stellen mittlerweile auch die Gefälligkeitsbewertungen dar. Sind Amazon-Reviews überhaupt noch glaubwürdig?

Gefälligkeitsbewertungen nehmen zu

Die Unglaubwürdigkeit von Amazons Produktreviews liegt vor allem an der steigenden Zahl der Gefälligkeitsbewertungen. Mittlerweile sind ca. 20 Prozent aller Ratings Gefälligkeitsbewertungen. Bei diesen handelt es sich um Bewertungen von Usern, die das Produkt umsonst oder zumindest zu einem günstigeren Preis bekommen haben. Die durchschnittlichen Bewertungen dieser Nutzer sind in der Regel deutlich besser als die anderer Käufer. Auch wenn Amazon diesen Usern keine besseren Ratings vorgibt (oder erwartet), sie verteilen im Schnitt 4,73 Sterne. Damit liegen sie deutlich vor dem Durchschnitt der restlichen Nutzer (4,3 Sterne).

Amazon Vine als Problemfall

Einen besonderen Stellenwert bei der Bewertung von Produkten nehmen die Ratings der Produkttester von Amazon Vine ein. In diesen Club nimmt Amazon Rezensenten auf, die über längere Zeit zahlreiche Reviews für die Plattform geschrieben haben. Auch User, die Ratings verfasst haben, die besonders oft von anderen Nutzern als hilfreich eingestuft wurden, werden von Amazon regelmäßig mit einer Aufnahme in den Club belohnt. An sich eine nachvollziehbare Vorgehensweise, da in der Theorie so zumindest die aktivsten User herausgesucht werden, die es verstehen, den Test eines Produkts überzeugend in Worte zu fassen. Die Bewertungen der „Viner“ lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob diese rein objektiv an ihre Produkttests herangehen. So ist auffällig, dass die Bewertungen in der Regel äußerst positiv auffallen. Einige Mitglieder von Amazon Vine vergeben schlichtweg immer 5 Sterne. Eine differenzierte und objektive Bewertung sieht anders aus. Zwar können Online-Shopper auf Amazon erkennen, ob es sich um eine Bewertung aus dem Vine-Club handelt, dass sie die Produkte aber oft geschenkt bekommen, ist hieraus nicht ersichtlich und sicherlich nicht jedem bekannt.

Auswirkungen auf das Amazon Bewertungssystem

Das Resultat ist eindeutig: Verbraucher können sich nicht mehr auf die Objektivität von Amazon-Bewertungen verlassen, was das gesamte System als solches überflüssig macht, da es auf diese Weise keine zuverlässige Entscheidungshilfe mehr darstellt. Was können Online-Shopper also tun, um wieder glaubwürdige Reviews zu Produkten bei Amazon zu erhalten? Das Offensichtliche liegt nahe: einfach bei anderen Portalen nach Bewertungen suchen und auf diese Weise eine Kaufentscheidung fällen. User, die jedoch lediglich die Gefälligkeitsbewertungen ausblenden wollen, sollten einen Blick auf Tools wie Review Meta werfen, die genau diese ausfiltern und den tatsächlichen Sternewert anzeigen lassen. Eventuelle Fake-Ratings sind dann zwar noch nicht entfernt, ein objektiveres Gesamtbild können User so aber immerhin erzeugen.

Auswirkungen auf Händler

Nicht nur für Online-Shopper ist das derzeitige Bewertungssystem von Amazon ein Problem. Auch für Marketplace-Verkäufer und Shopbetreiber im Allgemeinen können die Gefälligkeitsbewertungen ein ernstzunehmendes Ärgernis darstellen. Verkäufer, die bei Amazon derart positive Reviews erhalten, werden besser platziert und somit aufgewertet. Höhere Absatzzahlen sind nur die logische Folge. Die Konkurrenz hat dann das Nachsehen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl der Gefälligkeitsbewertungen weiter steigt, bleibt nur zu hoffen, dass Amazon hier Mittel und Wege findet, die Ratings des Vine-Clubs und damit sein gesamtes Bewertungssystem wieder glaubwürdiger zu gestalten.